Während Übersetzen mit DeepL und ChatGPT immer beliebter wird, zeigen sich in der Praxis deutliche Unterschiede in Qualität und Einsatzmöglichkeiten. Was früher ausschließlich professionelle Sprachdienstleister übernahmen, wird heute zunehmend von Mitarbeitenden selbst mit Hilfe dieser Tools erledigt. Doch wie sinnvoll ist das? Welche Qualität kann man erwarten? Und wann ist der Punkt erreicht, an dem man lieber auf einen Übersetzungsdienstleister zurückgreifen sollte?
Dieser Artikel beleuchtet typische Einsatzszenarien, Risiken und gibt fundierte Empfehlungen für Unternehmen, die Übersetzungen selbst erstellen oder delegieren wollen. Dabei stehen drei Entscheidungsmodelle im Fokus: reines automatisches Übersetzen mit DeepL oder ChatGPT, automatisches Übersetzen mit professionellem Post-Editing und manuelles Übersetzen mit Qualitätssicherung nach ISO 17100.
Übersetzen mit DeepL und ChatGPT: Typische Einsatzszenarien
Was funktioniert gut?
Interne Kommunikation: Protokolle, Memos oder E-Mails, die nicht veröffentlicht werden, können oft (aber nicht immer: Vertraulichkeit!) mit DeepL oder ChatGPT ausreichend verständlich übersetzt werden.
Informationsbeschaffung: Für das schnelle Erfassen fremdsprachiger Inhalte sind maschinelle Übersetzungen hilfreich, etwa bei der Marktbeobachtung oder der Recherche.
Entwurfsübersetzungen: Zur Diskussion im Team oder zur Prüfung von Struktur und Umfang einer Übersetzung.
Wo liegen die Grenzen?
Einsatzbereich | Risiken | Beispiel |
---|---|---|
Fachtexte mit Terminologie | Inkonsistente oder falsche Verwendung von Begriffen | Übersetzung von „Drehmomentbegrenzer“ als „twisting restrictor“ statt „torque limiter“ |
Vertrauliche Inhalte | Datenschutzprobleme durch externe Server | Übersetzung vertraulicher Verträge oder interner Strategiepapiere |
Zielgruppenrelevante Inhalte | Missachtung kultureller Nuancen | Wörtliche Übersetzung eines Werbeslogans |
Eigennamen, Kontexte, mehrdeutige Begriffe | Falsche Deutung von Ironie oder Kontext | Übersetzung von „Das ist nicht mein Bier“ als „This is not my beer“ statt „This is not my concern“ |
Stimmen aus der Praxis
Typische Einschätzungen aus fünf Schlüsselbereichen eines Unternehmens:
„Unsere Produkte leben von ihrer Präzision. Wenn die Übersetzung wackelt, wackelt das Vertrauen in das Produkt.“ – Technische Leitung
„Kosten sparen ist gut – aber nicht um den Preis von Reklamationen oder Missverständnissen.“ – Einkauf
„Ein schlecht übersetzter Sicherheitshinweis kann im schlimmsten Fall zu Fehlbedienung führen.“ – Qualitätssicherung
„Wenn unsere Texte maschinell klingen, leidet das Markenbild. Sprache ist Image.“ – Unternehmenskommunikation
„Wir tragen die rechtliche Verantwortung für die veröffentlichten Inhalte. Da darf kein Interpretationsspielraum bleiben.“ – Geschäftsführung
Maschinelle Übersetzung: Die technischen Tücken
Terminologietreue
DeepL erkennt zwar gewisse Fachbegriffe, aber selbst mit seinem einfachen Glossar (das keine kontextabhängigen Unterscheidungen wie z.B. ‚Anhang‘ für E-Mail vs. Fahrzeug zulässt) fehlen oft Konsistenz und Firmensprache. ChatGPT erzeugt zwar oft stilistisch ansprechendere Übersetzungen als DeepL, geht dabei aber teilweise auf Kosten der inhaltlichen Genauigkeit. Zudem bietet es keine konsistente Terminologieeinhaltung, was besonders bei Fachtexten problematisch ist.
Halluzinationen und semantische Fehler
Generative KI-Modelle wie ChatGPT erzeugen plausibel klingende, aber faktisch falsche Aussagen. Sie missverstehen gelegentlich implizite Zusammenhänge oder Ironie, was besonders in juristischen oder technischen Kontexten kritisch ist.
Beispiel: Bei der Übersetzung eines deutschen Sicherheitshinweises “Nicht unter Last öffnen” wird “Do not open under load” von ChatGPT in einer Variante zu “Open cautiously when under stress” umgewandelt. Falsch und potenziell gefährlich.
Stil und Kultur
Kulturelle Gepflogenheiten und kontextuelle Nuancen werden maschinell oft nicht erkannt. Ein deutscher Text, der mit “Wir sind begeistert, bekannt geben zu können…” beginnt, wird maschinell häufig zu wörtlich übersetzt und wirkt im Englischen unnatürlich oder aufgesetzt.
Die Bedeutung der Sprachkombination
Der Erfolg und die Qualität automatischer Übersetzungen hängen stark von der gewählten Sprachkombination ab – besonders dann, wenn auf eine Nachbearbeitung durch professionelle Fachübersetzer verzichtet wird. Für deutsche Unternehmen sind insbesondere die folgenden Sprachkombinationen relevant:
Gut unterstützte Sprachpaare mit Deutsch
Sprachpaar | Qualität | Anmerkungen |
---|---|---|
Deutsch-Englisch | Hoch | Beste Unterstützung, zuverlässigste Ergebnisse |
Englisch-Deutsch | Hoch | Häufigste Kombination mit umfangreicher Datenbasis |
Deutsch-Französisch | Mittel-Hoch | Gute Unterstützung, aber komplexere Grammatik |
Deutsch-Spanisch | Mittel-Hoch | Zunehmend bessere Ergebnisse, regionale Unterschiede nicht immer berücksichtigt (Mexico, Spanien usw.) |
Weniger häufig unterstützte Sprachpaare mit Deutsch
Sprachpaar | Qualität | Anmerkungen |
---|---|---|
Deutsch-Polnisch | Mittel | Häufige Fehler bei technischen Begriffen |
Deutsch-Tschechisch | Mittel | Grammatikalische Strukturen führen zu Ungenauigkeiten |
Deutsch-Ungarisch | Niedrig-Mittel | Komplexe Grammatik erschwert präzise Übersetzungen |
Deutsch-Chinesisch | Niedrig | Große kulturelle und strukturelle Unterschiede |
Faktoren, die die Qualität beeinflussen:
- Datenverfügbarkeit: Deutsch-Englisch hat die beste Datenbasis
- Wirtschaftliche Bedeutung: Sprachpaare mit hoher Handelsrelevanz sind besser unterstützt
- Technische Dokumentation: Bei Fachtexten zeigen sich Unterschiede besonders deutlich
- Kulturelle Nähe: Ähnliche Geschäftskulturen führen zu besseren Ergebnissen
Empfehlung: Bei weniger häufigen Sprachkombinationen oder kritischen Inhalten sollte besonders sorgfältig geprüft werden, ob eine reine maschinelle Übersetzung ausreicht oder ob professionelle Nachbearbeitung notwendig ist. Für wichtige Dokumente in weniger verbreiteten Sprachpaaren ist oft die manuelle Übersetzung durch Muttersprachler die sicherste Wahl.
Die Rolle professioneller Sprachdienstleister
Post-Editing als Qualitätsbrücke
Professionelle Übersetzer nutzen maschinelle Vorübersetzungen als Basis und bringen den Text anschließend auf fachliches und stilistisches Niveau. Besonders im technischen Bereich ist dieses “Post-Editing” effizient und qualitativ hochwertig.
Beispiel: Ein deutsches technisches Handbuch wird zunächst mit DeepL vorübersetzt, anschließend von einem professionellen Revisor mit Unterstützung von KI-Tools und ErrorSpy terminologisch und stilistisch überarbeitet.
Sprachliche Verantwortung auslagern
Ein Sprachdienstleister bietet mehr als Übersetzung: Projektmanagement, Terminologiemanagement, rechtssichere Texte, QA-Prozesse, Konsistenzkontrollen und Pflege sprachlicher Daten wie Translation-Memorys oder Terminologie. Dies entlastet interne Teams deutlich.
Entscheidungsmodelle im Vergleich
Handlungsempfehlungen für Autoren
Empfehlung | Beschreibung | Beispiel |
---|---|---|
Kategorisieren Sie Ihre Inhalte | Unterscheiden Sie zwischen internen und externen, kritischen und nicht-kritischen Inhalten | Interne E-Mails vs. veröffentlichte Produktdatenblätter |
Nehmen Sie Terminologie ernst | Legen Sie Glossare an und fordern Sie deren Nutzung bei Dienstleistern ein | Konsistente Übersetzung von Fachbegriffen |
Nutzen Sie Post-Editing gezielt | Besonders bei technischen, juristischen oder marketingrelevanten Inhalten | Technische Handbücher, Verträge |
Denken Sie an den Datenschutz | Verwenden Sie keine kostenlosen Tools für vertrauliche Inhalte | Interne Strategiepapiere, vertrauliche Verträge |
Nutzen Sie QA-Tools | Auch maschinelle Vorübersetzungen sollten qualifiziert geprüft werden | ErrorSpy, individuelle KI-Tools, XBench |
Verstehen Sie maschinelle Tools als Hilfsmittel | Menschliche Sprachkompetenz bleibt unersetzlich | Kombination aus maschineller Vorübersetzung und menschlichem Post-Editing |
Fazit
Maschinelle Übersetzung hat ihre Berechtigung. Doch sie erfordert klare Grenzen, bewusste Entscheidungen und professionelle Ergänzung. Unternehmen, die langfristig in ihr Image, ihre Rechtssicherheit und ihre Produktqualität investieren, kommen um professionelle Sprachdienstleister nicht herum. Sie sind nicht Konkurrenz zu Tools wie DeepL oder ChatGPT – sie sind deren unverzichtbare Ergänzung.
Mit diesen Strategien können Sie die Vorteile von maschinellen Übersetzungen nutzen, ohne die Qualität und Präzision Ihrer Texte zu gefährden.