Neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230: Auswirkungen für technische Redakteure und Übersetzer

Einleitung

Die neue EU-Maschinenverordnung ist da: Die EU-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, die 2006 verabschiedet wurde, markierte einen wichtigen Meilenstein in der Regulierung von Maschinen innerhalb der Europäischen Union. Seitdem hat sich die Industrielandschaft drastisch gewandelt. Maschinen sind komplexer geworden, die Digitalisierung der Industrie hat große Fortschritte gemacht, der Anteil an Softwarefunktionen hat stark zugenommen und KI spielt eine größere Rolle. Ebenfalls ändern sich die Informationssuchegewohnheiten der Kunden und die Gefahren von elektronischen Angriffen nehmen zu. Dies alles wurde in der neuen Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 (MVO) berücksichtigt, die am 19. Juli 2023 in Kraft getreten ist und einen Umfang von 12 Druckseiten hat. Die MVO soll die bisherige EU-Maschinenrichtlinie ersetzen. Es gilt eine Übergangszeit von 42 Monaten.

Während die neue Verordnung tiefgreifende Auswirkungen auf Hersteller und Betreiber von Maschinen haben wird, bringt sie auch für technische Redakteure und Übersetzer neue Herausforderungen mit sich. Insbesondere die Einführung neuer Begriffe und Termini erfordert eine präzise und korrekte Darstellung in technischen Dokumentationen und Übersetzungen. In diesem Blogbeitrag fokussieren wir uns gezielt auf die Aspekte der Verordnung, die für technische Redakteure und Übersetzer von besonderer Relevanz sind, erläutern die neu eingeführten Begriffe und bieten praktische Hinweise für deren Anwendung in der täglichen Arbeit.

Die neue EU-Maschinenverordnung 2023/1230: eine Verordnung statt einer Richtlinie

Warum der Wechsel von einer Richtlinie zu einer Verordnung? Die Richtlinie gab den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität, um die Ziele zu erreichen, führte aber auch zu unterschiedlichen Auslegungen und damit manchmal zu Rechtsunsicherheit für die Anwender der Richtlinie, wie z. B. Hersteller oder Betreiber von Maschinen. Besonders deutlich wurden diese Unsicherheiten beim Export von Maschinen in verschiedene EU-Länder, wo die lokalen Behörden die Einzelheiten manchmal unterschiedlich auslegten.

Um den Verwaltungsaufwand zu verringern, wurde die Richtlinie durch eine Verordnung ersetzt, die in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten soll. Dies sollte die unterschiedlichen Auslegungen in den einzelnen Ländern erheblich verringern und die Rechtssicherheit erhöhen. Darüber hinaus sollte auch der Verwaltungsaufwand für Wirtschaftsakteure wie Hersteller verringert werden.

Der Hauptunterschied zwischen Maschinenrichtlinie und MVO liegt in ihrem verbindlichen Charakter. Während die Maschinenrichtlinie nicht verbindlich war und zunächst von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden musste, ist die Verordnung nach bestimmten Übergangsfristen in allen EU-Mitgliedstaaten direkt anwendbar – auch für Unternehmen in Deutschland.

Wie die neue EU-Maschinenverordnung eine Maschine definiert

Die Neudefinition des Begriffs der Maschine stellt eine der zentralen Neuerungen der MVO dar. Die fortschreitende Entwicklung im Maschinensektor, insbesondere die zunehmende Integration digitaler Mittel und die Rolle von Software in der Maschinenkonstruktion, hat eine Anpassung der Definition erforderlich gemacht. So fallen nun Maschinen, bei denen lediglich das Aufspielen einer spezifischen Software fehlt, direkt unter die Definition von Maschinen, anstatt als dazugehörige Produkte oder unvollständige Maschinen betrachtet zu werden. Zudem umfasst der Begriff Sicherheitsbauteile jetzt nicht nur physische, sondern auch digitale Komponenten. Software, die eine Sicherheitsfunktion erfüllt und separat in Verkehr gebracht wird, wird als Sicherheitsbauteil angesehen.

Die Verordnung definiert Maschine als:

  • Eine Gesamtheit miteinander verbundener Teile mit mindestens einem beweglichen Teil, ausgestattet mit einem Antriebssystem.
  • Eine solche Gesamtheit, der lediglich Verbindungsteile zu ihrem Einsatzort oder Energiequellen fehlen.
  • Eine Gesamtheit, die erst nach Installation in einem Gebäude oder auf einem Beförderungsmittel funktionsfähig ist.
  • Eine Kombination von Maschinen oder unvollständigen Maschinen, die gemeinsam funktionieren.
  • Eine Gesamtheit für Hebevorgänge, die ausschließlich durch menschliche Kraft angetrieben wird.
  • Eine Gesamtheit, der lediglich eine spezifische, vom Hersteller vorgesehene Software fehlt.

Im Vergleich zur Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, in der der Begriff “Maschine” mehrdeutig war und für Verwirrung sorgte, bietet die neue Verordnung eine klare und präzise Definition. Die Unterscheidung zwischen “Maschinen” und “dazugehörigen Produkten” ist nun eindeutig, wobei zu den “dazugehörigen Produkten” unter anderem auswechselbare Ausrüstungen und Sicherheitsbauteile gehören.

Sicherheit

Die Sicherheit von Maschinen ist in der neuen Verordnung ein wichtiges Thema. Insbesondere der neue Punkt 1.1.9 in Anhang III, in dem der Schutz vor Interferenzen definiert wird, wird intensiv diskutiert. Die Hersteller müssen sicherstellen, dass Verbindungsgeräte (z. B. USB-Sticks) oder die Verbindung zu “entfernten Geräten” über das Internet nicht zu gefährlichen Situationen führen. Die Verordnung unterscheidet zwischen unbeabsichtigten und vorsätzlichen Schäden.

In Bezug auf Mensch-Maschine-Interaktion, mit dem Internet verbundene Maschinen, Auswirkungen von Software-Updates und Fernüberwachungsstationen legt die Verordnung spezifische Sicherheitsanforderungen fest, um die Risiken zu minimieren.

Die Hersteller müssen nun Maßnahmen gegen Risiken ergreifen, die sich aus böswilligen Handlungen Dritter ergeben können, wie z. B. Hackerangriffe. Dies gilt sowohl für Hardware als auch für Software. Die Verordnung legt neue grundlegende Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen fest.

Diese Änderungen stehen im Einklang mit der Cyber-Strategie der EU und den Anforderungen, die Hersteller aufgrund der Gesetze zur Cybersicherheit erfüllen müssen, sowie mit den geänderten Anforderungen der Richtlinie über Funkanlagen, deren Sicherheitsanforderungen ab dem 1. August 2024 verbindlich sind.

Neue EU-Maschinenverordnung und Künstliche Intelligenz

Ein besonders interessanter Aspekt der Verordnung betrifft die künstliche Intelligenz oder, wie es in der Verordnung etwas kryptisch heißt, “Systeme mit selbstentwickelndem Verhalten”. Dieser Begriff bezieht sich wahrscheinlich nicht nur auf autonome Maschinen, sondern auch auf solche, die sich selbst entwickeln und selbstständig lernen können.

In den Leitlinien des Anhangs III heißt es, dass bei der Risikobewertung von Maschinen, die sich selbst entwickeln, die Risiken berücksichtigt werden müssen, die sich aus diesem autonomen Verhalten ergeben. Hersteller vernetzter Maschinen (“intelligente Maschinen”) müssen sich insbesondere auf Anforderungen aus anderen Rechtsbereichen wie dem Cyberresilienzgesetz und der Richtlinie über Funkanlagen (2014/53/EU) vorbereiten. Diese Aspekte müssen auch in der technischen Dokumentation berücksichtigt werden.

Umstellung auf digitale Dokumentation

Die Maschinenverordnung erlaubt nun offiziell die Verwendung digitaler Handbücher, die für B2B-Maschinen gelten. Dies ist ein wichtiger Schritt nach vorn, denn zuvor mussten die Hersteller Papierhandbücher in allen EU-Amtssprachen beilegen.

  • Herunterladbare Handbücher: Der Hersteller muss sicherstellen, dass herunterladbare Handbücher in einem benutzerfreundlichen Format vorliegen (siehe Artikel 7 der Verordnung (EU) 2023/1230).
  • Druckoptionen: Er muss Druckoptionen für Handbücher anbieten, wobei die Qualität und Lesbarkeit erhalten bleiben muss.
  • Barrierefreiheit: Er muss Zugänglichkeitsstandards für digitale Inhalte wie Richtlinie (EU) 2019/882 berücksichtigen, um sie einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Innerhalb von sechs Monaten nach dem Kauf kann der Endkunde eine Papierversion verlangen. Digitale Handbücher müssen während der gesamten Lebensdauer der Maschine oder mindestens 10 Jahre lang online verfügbar sein. Allerdings müssen auch Einschränkungen beachtet werden. Beispielsweise müssen digitale Handbücher herunterladbar und ausdruckbar sein, und gedruckte Handbücher müssen bei Bedarf immer zur Verfügung gestellt werden, wobei der Gesetzgeber nun eine Frist von einem Monat vorschreibt.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Vorschriften für “nicht professionelle Nutzer” und für Verbraucherprodukte. Hier sind Sicherheitsinformationen in Papierform immer noch vorgeschrieben. Dies gilt nicht nur für Produkte, die für Privatpersonen bestimmt sind, sondern auch für Maschinen, die unter vorhersehbaren Umständen in die Hände von Verbrauchern gelangen könnten.

Softwaredokumentation

Die Verordnung stellt auch höhere Anforderungen als bisher an der Dokumentation der Maschinensoftware (Anhang III, Abschnitt 1.1.9.): Die Maschine bzw. das dazugehörige Produkt muss die installierte Software, die für den sicheren Betrieb erforderlich ist, kenntlich machen und diese Informationen jederzeit in leicht zugänglicher Form bereitstellen können.

Übersetzung von Betriebsanleitungen und technischen Informationen

Die neue Maschinenverordnung unterstreicht die Bedeutung einer klaren und präzisen Übersetzung der Gebrauchs- und Montageanleitungen. Übersetzer und Redakteure sollten darauf achten, dass ihre Texte in einer leicht verständlichen Sprache verfasst sind und dass die Definitionen der MVO eingehalten werden.

Der bisher in der Maschinenrichtlinie verwendete Begriff “Amtssprache des Mitgliedstaates” wurde in der neuen Maschinenverordnung ersatzlos gestrichen. Die MVO spricht von einer “für die Nutzer leicht verständlichen Sprache”.

Folgende Informationen sind zu übersetzen:

Informationen und Warnhinweise auf der Maschine

Die Verordnung schreibt vor, dass die Informationen und Warnhinweise auf der Maschine in den Amtssprachen des Mitgliedstaates klar und verständlich sein müssen. Dies ermöglicht es dem Bediener, die Funktionen und Gefahren der Maschine richtig zu verstehen, unabhängig davon, in welchem EU-Land er arbeitet.

Bedienungsanleitung

Die neue Verordnung unterscheidet nicht mehr zwischen “Originalbetriebsanleitung” und “Übersetzung der Originalbetriebsanleitung”. Paragraphen 1.7.4.1. (a) und (b) der bisherigen Maschinenrichtlinie sind ersatzlos gestrichen. Die neue MVO gibt lediglich vor: Die Betriebsanleitung, die Sicherheitsinformationen und die Informationen nach Anhang III werden in einer vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten, für die Nutzer leicht verständlichen Sprache abgefasst und müssen klar, verständlich und lesbar sein. Für die Hersteller hat dies zur Folge, dass sie höhere Anforderungen an die Qualität der Übersetzungen stellen müssen, um sich vor möglichen Regressansprüchen zu schützen.

Wartungsanleitung

Eine Wartungsanleitung, die für vom Hersteller oder seinem Bevollmächtigten autorisiertes Fachpersonal vorgesehen ist, in einer Amtssprache der Union verfasst sein, solange sie von diesem Fachpersonal verstanden wird.

Aufbauanleitungen und technische Dokumentation

Auch die Montageanleitung für unvollständige Maschinen und die technische Dokumentation müssen die Sprachanforderungen erfüllen. Dies erleichtert nicht nur den Zusammenbau und den Betrieb der Maschine, sondern ermöglicht auch eine effiziente Bewertung der Konformität mit den Anforderungen der Richtlinie.

Übergangsfristen für die neue EU-Maschinenverordnung

Die Verordnung tritt nicht plötzlich in Kraft, sondern es wurden Übergangsfristen und Termine für verschiedene Aspekte festgelegt. Das Hauptdatum für das Inkrafttreten der gesamten Verordnung ist der 19.1.2027, was eine Übergangsfrist von 42 Monaten ab der Veröffentlichung der Verordnung bedeutet.

Unternehmen sollten ihre Prozesse und Dokumentationen jedoch rechtzeitig überprüfen und anpassen, da einige Bestimmungen bereits lange vor diesem Datum in Kraft treten werden.

Glossar der Schlüsselbegriffe

Die Verordnung 2023/1230 behält zwar den Großteil des Inhalts der vorherigen Richtlinie bei, verwendet jedoch eine klarere Sprache und eine einheitliche Terminologie, die für alle Beteiligten leichter verständlich ist. Dies stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Maschinenregulierung dar.

Dieses Glossar listet zentrale Begriffe und Formulierungen der Maschinenverordnung auf, die insbesondere für Übersetzer und technische Redakteure von Bedeutung sind. Die hier dargestellten Definitionen sind stark verkürzt; die ausführlichen Erklärungen können in Artikel 3 “Begriffsbestimmungen” nachgeschlagen werden.

BEGRIFF DEFINITION
auswechselbare Ausrüstung Vorrichtung zur Änderung/Erweiterung einer Maschinenfunktion, die kein Werkzeug ist.
Bereitstellung auf dem Markt Entgeltliche/unentgeltliche Abgabe eines Produkts für Vertrieb/Verwendung auf dem Unionsmarkt.
Betriebsanleitung Vom Hersteller bereitgestellte Informationen zur richtigen Verwendung und Sicherheit der Maschine/Produkts.
Bevollmächtigter In der Union ansässige Person, vom Hersteller beauftragt, bestimmte Aufgaben wahrzunehmen.
CE-Kennzeichnung Kennzeichnung zur Bestätigung der Einhaltung der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union.
Einführer Person in der Union, die ein Produkt aus einem Drittstaat auf dem Unionsmarkt bringt.
Händler Person, die ein Produkt auf dem Markt bereitstellt, außer Hersteller oder Einführer.
Hersteller Person, die Produkte herstellt/vertreibt oder für den Eigengebrauch in Betrieb nimmt.
Inbetriebnahme Erstmalige bestimmungsgemäße Verwendung einer Maschine/Produkts in der Union.
Inverkehrbringen Erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt.
Maschine Siehe Abschnitt “Neue Definition von Maschine” weiter oben
professioneller Nutzer Person, die eine Maschine/ein Produkt beruflich verwendet oder bedient.
Sicherheitsbauteil Physisches/digitales Bauteil zur Sicherheitsfunktion, nicht zwingend für Produktfunktion.
unvollständige Maschine Gesamtheit, die noch keine Maschine ist, aber dazu bestimmt ist, eine Maschine zu bilden.

Neue Maschinenverordnung: Höhere Anforderungen an Redakteure und Übersetzer

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 einen wichtigen Schritt hin zur Digitalisierung der technischen Dokumentation darstellt. Höhere Anforderungen an Inhalt und Sicherheit sowie die Einführung von Themen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz spiegeln die rasante technologische Entwicklung und die zunehmende Komplexität des Maschinenbausektors wider. Darüber hinaus unterstreichen terminologische Änderungen, wie der Wechsel von “Richtlinie” zu “Verordnung”, den Bedarf an Genauigkeit und Aktualität der Dokumentation.

In diesem Zusammenhang wird die Rolle von speziell qualifizierten Übersetzern, die nicht nur über sprachliche, sondern auch über technische Kenntnisse verfügen, wichtiger denn je. Sie müssen sowohl mit den Anforderungen der neuen Verordnung als auch mit dem spezifischen technischen Inhalt und den Sicherheitsanforderungen vertraut sein. Unternehmen, die sicherstellen wollen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen den neuen Regeln entsprechen, müssen jetzt handeln und die notwendigen Schritte unternehmen, um die neue Maschinenverordnung vollständig einzuhalten. D.O.G., mit seiner ISO 17100 Zertifizierung und hohen Qualitätsstandards, kann diesen Prozess optimal begleiten.

Nach oben scrollen